Der Militärmantel

In meiner Erinnerung hatten wir, solange wir in der Plattensiedlung wohnten, immer bitter kalte Winter. Die Fenster in unserem Schlafraum waren auch tagsüber hochgefroren. Der Raum war durch einen „Vorhang“ vom Wohnraum (Omas Schlaf- und vor allem Rauchzimmer) getrennt und wurde nicht beheizt.
Unsere Mutter legte uns, bevor sie Schlafen ging, zusätzlich Mäntel über das Bettdeck.
Ich bekam immer den von meinem Vater. Es war ein Wehrmachtsmantel. Die Achselklappen waren abgetrennt. Er war umgefärbt worden, dunkelbraun und ich rieche ihn heute noch:
Er roch nach der Umfärbung, nach selbstgemachtem Pfeifentabak und nach dem Mief der Autobusse mit denen mein Vater morgens um fünf Uhr zur Arbeit nach Hamburg in den Hafen fuhr.
Also, der Mantel roch nicht gut… am Hals konnte ich ihn nicht ertragen, weil er war so rauh und stachelig… doch gewärmt hat er mich wundervoll!

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Omas Kochkünste in der schlechten Zeit

Da es weder Fett noch Fleisch gab, und meine Mutter einmal eine große Speckseite erhamstern konnte, wurde über allen Suppen fetter Speck ausgebraten.
Schön klein gewürfelt und goldbraun knusprig ausgelassen. (In der schwarzen Pfanne, die hinterher nicht abgewaschen wurde, um auch das anhaftende Fett nicht zu verschwenden.)
Jeder bekam seinen Teller voll und jeder hatte seinen eigenen Löffel, meiner war noch aus dem Silberbesteck aus Lokstedt und hatte in der Mulde kein Silber mehr. Grünlich gelbes Metall war zu sehen und veränderte den Geschmack, besonders von Rhabarberkompott.
Die Speckstippel schwammen oben auf der Suppe und wurden von uns fein säuberlich auf den Tellerrand sortiert. Stolz wurde verkündet wie viele man hatte, und dann erst die Suppe gelöffelt und zum Schluß, als letzter Happen, die köstlichen Speckwürfel verspeist.
Unvergeßlich Omas braune Soßen, süßsauer mit Pellkartoffeln, Steckrüben im Schlafrock und wenn man lange genug beim Speck schneiden zusah, bekam man einen Würfel zugeschoben.
Köstlicher Nachtisch:
Kaltschale oder Dickmilch mit braunem Zucker!
Der Zucker stammte von der Schute im Geesthachter Hafen, und aus den Fasern des Zuckersacks strickte Oma uns dann Strümpfe.

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Onkel Ernst

Familie L. hatten fünf Kinder und wohnten, wie wir, in der Plattensiedlung.
Der Vater war der Verwalter der Siedlung. Er zog die Miete ein und schimpfte fürchterlich, wenn wir Jungs auf dem Pappdach unseres Plattenhauses spielten.
Wolfgang, Dieter, Ingrid, Elke und Almuth hießen die fünf Kinder.
Herrliche Spiele haben wir zusammen im Wald, auf der Heide, der „Festung“ und hinten im Schuppen bei unseren FreundenInnen gemacht. Völkerball, Schlagball, Verstecken, Indianer mit selbstgemachten Tomahawks, neuartige Teesorten, z. B. Birkenblättertee haben wir erfunden und eine Lederpuppe gekocht. Sie wurde aber nicht sauber. Sie war zu einer Schwarte verkocht.
Im Winter trafen wir uns vor dem Schulweg schon bei Luekens in der Küche. Die Herdringe glühten. Wir brachten unsere drei Frühstück-Brotschnitten mit.
Frau Lueken hat sie dann auf dem Herd geröstet und mit Zucker bestreut. Dazu gab es dann eine Tasse heißen Muckefuck.
Still und in sich gekehrt saß Onkel Ernst immer mit am Tisch. Er hatte ein braunes, faltiges Altmännergesicht. Nie habe ich ein lautes Wort von ihm gehört.
Wir kamen nicht dahinter, ob er nun verwandt war mit den Luekens, oder wie er zu dieser Familie gekommen war. Er war arbeitslos, wie fast alle Männer in dieser Zeit.
Gern erinnere ich mich an seinen festen, trockenen Händedruck mit seiner breiten, rauhen Hand.
Onkel Ernst nahm sich immer Zeit für uns. Er konnte alles.
Löcher in unsere Holzbeile bohren, Schlitten reparieren, obwohl es kein Material gab, und Pfeilspitzen aus Knochen anfertigen, Schlingen aus Telefondraht von den Tommys knoten, mit denen er tatsächlich, verbotener Weise, Karnickel fing.
Er hat auch zu Weihnachten unser Stallkaninchen geschlachtet.
Beim Zusehen, als er dem armen Tier buchstäblich das Fell über die Ohren zog, wurde mir übel.
Viel später, es waren schon wieder „normale“ Zeiten, und die Familie Lueken war längst aus Geesthacht verzogen, Wolfgang schon Doktor der Naturwissenschaften, und Dieter Diakon, habe ich Onkel Ernst wieder gesehen.
Er arbeitete in einer Straßenbaukolonne als Hilfsarbeiter. Er war nicht älter geworden, nur gebückter und noch bedächtiger in seinen Bewegungen.
Seine Fähigkeiten, in Notzeiten mit Unzulänglichem fertig zu werden, aus dem Nichts etwas zu basteln, seine Bescheidenheit, mit Allzuwenigem auszukommen, in einer Großfamilie still am Ende des Tisches zu sitzen und seine Suppe zu löffeln…
Tugenden und Bilder, die gut zu ihm paßten, aber nicht mehr in unsere damalige Hochkonjunktur.

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„Übern Berg zu 57“


Ich war schon in der Lehre, Ingrid ging noch zur Haushaltungsschule. So oft wie möglich trafen wir uns. Zu Hause sagte ich dann: „Ich geh‘ übern Berg zu 57.“
57 war ja eigentlich die Hausnummer von den Schankin’s Am Hang. So brauchte ich doch nicht „Ingrid“ zu sagen oder „Freundin.“ Hatte ich doch Angst, das man an der Art, wie ich ihren Namen aussprach, erkennen könnte, wie sehr ich mit meinem Herzen beteiligt war.
Mit anklopfen und fragen: „Ist Ingrid da?“ war noch nichts.
Wir hatten unseren Pfiff: „…und das Wasser war viehiel zuhu tief“ aus dem Volkslied: Es waren zwei Königskinder.
Ich spüre noch heute das Herzklopfen und das Atemanhalten, bis die grüne Tür aufging.
Sie kam, ich glaube, immer. Wir machten weite Spaziergänge, über den Berg in den Wald, führten lange Gespräche, und immer Händchen haltend
Und immer mit Herzklopfen.
Jetzt, heute, sofort, oder doch erst nachher auf der grünen Bank am Haus Am Hang 57 werde ich ihr den ersten Kuß geben! Und dann wieder nicht… aber morgen, morgen ganz bestimmt!
Was haben wir uns nur alles erzählt an diesen Sommerabenden auf der, von Opa selbst gezimmerten Bank?
Ich weiß es nicht mehr. Aber das Nachhauselaufen über den Berg durch die dunkle Heide, hat sich mir tief eingeprägt.
Je höher ich den Berg hinauf kam, desto wärmer wurde die Luft.
Dann durch das Tal bei Koepke, empfindlich kühl war es auf einmal.
In meiner Brust flatterten Schmetterlinge und ganz fest nahm ich mir (jedesmal wieder) vor:
„Morgen nehme ich einfach ihren Kopf in beide Hände und küsse sie!“

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Die Grille

Wer hat sie schon einmal gesehen?
Gehört hat wohl jeder dieses durchdringende Zirpen.
Käfer haben Herbert und ich gesammelt und aufgespießt. Schmetterlinge und Nachtfalter haben wir gefangen. Doch eine Grille, wir nannten das Tierchen „Heimchen,“ hatten wir nie zu Gesicht bekommen.
Wir lagen im Gras am Wall der „Festung“ auf dem Berg. Richtiger Sommer der Kinderzeit. Grashüpfer sprangen emsig hin und her. Die Luft war erfüllt von dem Gesumme der Insekten und dem Gesang der Heidelerchen.
Plötzlich, ganz dicht bei uns, durchdringend das laute Zirpen einer Grille. Schon beim Aufrichten aus unserer faulen Lage verstummte das Geräusch.
Und nun sahen wir sie doch, die Grille. Sie steckte mit ihrem Kopf in einem Erdloch.
Fingerdick im Durchmesser war dieser Gang und langsam, ganz langsam wagte sie sich weiter heraus. Mit dem Hinterteil vorweg. Bei der geringsten Erschütterung war sie wieder verschwunden.
Schwarz-bräunlich war der Chitinpanzer und gedrungen, ähnlich dem Heupferdchen ihre Gestalt.
Wieder wagte sie sich langsam, zögernd hervor. Nun war sie ganz aus ihrem Gang heraus, aber immer noch mit dem Kopf in ihrer „Wohnung“. Sie schien sich mit der Sonnenwärme vollzupumpen. Dann begann sie mit ihrem „Gesang.“ Die langen, gezähnten Hinterbeine fuhren über die stummeligen Flügel und erzeugten dieses Zirpen.
Wir waren stolz auf unsere Beobachtung und hätten zu gerne die Grille gefangen, um sie unserer Sammlung einzuverleiben. Doch bei der leisesten Bewegung verschwand sie wieder in ihrer Höhle… wo sind die Grillen, gibt es sie noch oder höre ich sie nur nicht mehr?

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Judenkirsche (Physalis alkekengi)


Im Garten vor der Laube wucherten Laternenblumen. Sie kriechen über die Gehwegplatten. Streift man die langen Stiele der Pflanzen, so rascheln die Laternen wie Papier und man hört das Klappern der Kirschen in diesem eigentümlichen Fruchtstand.
Selbst wenn die rote Farbe vergangen ist, und die getrockneten Laternen über den Rasen geweht werden, sehen diese Kelche wie feinstes Filigran aus.
So rot, wie sie heute als Trockenstrauß vor dem Balkonfenster stehen, leuchten sie nur in der Erinnerung aus der Wohnung des alten Nachbar-
Ehepaares in Hamburg-Lokstedt.
Im kleinen, dunklen Flur hing eine Ampel als Flurbeleuchtung, es war eine Laubsägearbeit.
Und in einer Ecke des Korridors auf einem Bord stand der Strauß mit Judenkirschen. Den Namen dieser Pflanze habe ich, damals sechsjährig, nicht gekannt oder behalten. Erinnern kann ich das herrliche Rot und das papierene Rascheln der Laternen.
Seit damals liebe ich Judenkirschen

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Die Feldflasche

Sommerferien! Fahrt mit der Jugendgruppe zum Zelten an den Pönitzer- oder den Kellersee in der Holsteinischen Schweiz.
Das Fahrrad hat mir der Pastor besorgt. Silbergrau, viel zu groß und mit einem gräßlich harten Sattel.
Wann fuhren wir los? Wie war das Wetter? Wer fuhr denn noch alles mit? …vergessen!
Aber die spitze, braune Tüte mit Zitronen- und Orangenbonbons von Mutti als süße Wegzehrung, und die selbst genähten Satteltaschen von Peter, vor allem aber die Feldflasche mit dem graubraunen Filz sehe, schmecke und rieche ich noch, als wäre es gestern gewesen.
Die erste Füllung war Zitronensaft oder Muckefuck und reichte bis kurz hinter Ratzeburg. Die Flasche baumelte mit ihrem Lederzaumzeug an dem Griff der Handbremse. Den eigentlich dazu gehörigen Schraubbecher gab es schon lange nicht mehr. Der Verschluß wurde aufgedreht und schon saugte man sich an dem engen Aluminiumhals der Feldflasche fest.
Unvergeßlich der eigentümliche, säuerliche, muffige Geschmack der nassen Filzummantelung, der sich mit dem kühlen, eisenhaltigen Wasser aus der Schwengelpumpe am Straßenrand mengte.
Der Gaumen war durchgelutscht, die Zunge pickelig, die Mundwinkel spröde von den Zitronenbonbons und dazu das allmählich nicht mehr so frische, schon ein wenig erdig schmeckende Wasser aus der Feldflasche.
Was hat unser heutiges Plastikzeitalter dagegen zu bieten?

…und weiter liest du mit dem Link unten: „Ältere Artikel“

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Der rote Zelluloidfisch

Er war ein Badetier. Schön rot und in der Badewanne bei Tante Gathchen und Onkel Heinz in Wandsbek.
Weshalb wir da gebadet wurden, weiß ich heute nicht mehr. Aber wie Zelluloid schmeckt, wenn man drauf beißt, weiß ich seitdem.
Auch an das Saugen an einem roten Gummischwamm kann ich mich gut erinnern. Ja, und wie zugefrorene Fensterscheiben schmecken, wenn man dran leckt, und wie die Zunge hinterher brennt, weil sie immer erst an der Eisschicht kleben bleibt.
Und die unreifen Fliederbeeren im Pusterohr aus Hollunderzweigen schmecken bitter.
Irgendwann habe ich wohl auch einmal in weiß lackiertes Fichtenholz gebissen. Woher wüßte ich sonst, welches Gefühl es ist, wenn der Lack unter den Zähnen nachgibt und sie sich in das Holz eindrücken?
Unvergeßlich auch durchgekautes Löschpapier, das man mit dem Holzlineal gegen die Decke des Klassenzimmers schnellen lassen konnte.
Dagegen stehen die Gaumenfreuden der Erwachsenenwelt:
Das erste Glas Weinbrand, das so sehr in der Kehle brannte und dann auch noch ätzend in die Nase stieg.
Aber dann die Flasche Metaxa von Martin aus Berlin, der so wunderbar milde war.
Der Beifuß an der Elbe, der, zwischen den Fingern zerrieben, so herrlich würzig duftet.
Die trockene Dorschmilch, geräuchert, aus der Hand gegessen in Klintholm-Havn.
Der knackige Apfel im Oktober vom Baum im Garten, der wie ein Stein im Magen liegt, weil es schon so kalt ist.

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barfußlaufen


Zu Hause laufe ich fast immer nur auf Strumpfsocken. Zugegebenermaßen teils aus Schlamperei, aber zur Hauptsache, weil es mir Freude bereitet den Boden unter den Füßen zu spüren.
Die schwarze, warme Gartenerde im Sommer, der heiße Asphalt, damals wenn wir zum Baden an die Elbe liefen.
Das Laufen über die vielen, kleinen Steine an den Stränden von Møn.
Wie herrlich, wenn der sonnendurchwärmte, schwarze Schlamm im Watt durch die Zehen quillt.

Das eigentümliche Knacken und Knirschen, wenn man über Muscheln läuft und das plötzliche Einsinken in einen Kuhfladen, dessen Oberfläche schon getrocknet und fest wie eine Schicht Papier war. Auch wenn wir das Laufen über Stoppelfelder beherrschten, nämlich die Füße nicht anzuheben, sondern kurz über den Boden zu ziehen, so daß sich die Halme umlegten, passierte es immer wieder, daß man sich verletzte. In die weiche Stelle zwischen Ballen und Ferse fuhr ein vertrackter Strohhalm und hinterließ eine kleine aber unangenehme Wunde.

Immer wieder trat man dann auf kleine Steine oder Stöcke und dies ließ die Stelle nicht heilen. Als unangenehm ist mir vom Stoppellaufen noch in Erinnerung, wie das Regenwasser aus den Stoppeln beim Umknicken bis in die Hosenbeine hochspritzte. Und hatte man sich erst einmal den großen Onkel gestoßen, stieß man sich ihn andauernd wieder.
Was hat sich mir über den „Tastsinn“ der Füße eingeprägt?
Der mit Sisal ausgelegte Flur irgendwo, das Linoleum in einer Küche der Nachkriegszeit, das immer ein wenig klebt, das kühle Eisenrohr am Bett im Krankenhaus, der kalte Steinfußboden in der Kirche in Mölln auf der Radtour mit dem Pastor, der federnde Waldboden aus Fichtennadeln, der nasse kalte Dünensand auf Sylt in Hörnum, wenn man nachts mal hinaus mußte.

Mir sträuben sich beim Schreiben noch die Haare, wenn ich daran denke, auf einer Kokosfußmatte zu stehen, auf der sich vorher jemand gründlich die Schuhe abgetreten hat.
Am schönsten ist es aber am Strand barfuß zu laufen. Auf dem Streifen, den immer wieder die Wellen überspülen, der gerade so fest ist, daß der Fuß Spuren hinterläßt, die die nächste Welle auslöscht.

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Blutspende

Im Deh-Er-Ka-Heim, hinter der Pestalozzi Schule.
Freitags, gleich nach Feierabend.
Alles ist auf einmal sehr wichtig. Ganz besonders die Rotkreuz-Helferinnen. Weiß und steif gestärkt die Uniform, mit dicker Brosche ganz oben. Schön anstehen, bis zur Schreibmaschine.
Geburtsname? Geburtsort? Hausarzt?
… Stuhl für Stuhl aufrücken, bis zur Tür, hinter der der untersuchende Arzt sitzt. Karteikarte durchlesen. Hanns wieder nur mit einem „n“. Was soll’s.
Der nächste bitte! Blutdruck 120. Er hat nichts dagegen. Stereotype Fragen und Antworten. Und die Tippse vorhin konnte nicht rechnen. Es muß 32. Spende heißen, ist nämlich wichtig für den Orden.
Dann wieder anstehen und Sprüche hören. Die Spender, meist wohlgenährt und kraftstrotzend, tragen, für alle gut sichtbar, einen blutvollen Heiligenschein keck und etwas nach hinten gewinkelt, auf ihren Häuptern.
Was sind wir nur für gute Menschen, geben wir doch, noch dazu ohne Bezahlung, unser kostbares Blut.
Und mir ist so, als hörte ich als Hintergrund Musik, Mozarts Ave verum oder das Große Halleluja vom Ollen Händel.

Der Lütjenseer-Blutspende-Team-Sani klebt geschickt und flink lauter kleine, selbstklebende Etiketten auf Reagenzgläser, Karteikarten und Plastikkonservenbeutel. Sind sie links oder rechts? …kann man auch wieder lange Sprüche hören, warum rechts und weshalb es links beim letzten Mal nicht lief.Endlich eine Liege frei. „Machen sie bitte eine Faust!“ …Vereisen… mit eleganten Schwüngen die Spraydose hoch und runter. Pieks… und tief Luft holen.Wer hat eigentlich einmal befohlen, daß Blut rot zu sein hat? Was da in den Plastiksack tropft ist braun. Ich gebe zu, rötlich-braun, doch von „rot“ weit entfernt.Der Raum mit den acht Liegen ist klein und niedrig. Die Luft ist stickig. An der Decke ein großer Fleck. Wenn nicht gerade gespendet wird, leckt es hier durch.
Die Spenderinnen sind dicklich und haben immer eine Wolldecke über den Knien. Die Spender sind tapfer und betont männlich.
Allen gemeinsam ist der ergebene Blick wiederkäuender Rindviecher auf der Kuhweide.
Dieses mal verarztet uns „Bruder Hans“, was auf einem Schildchen am Revers, sinnigerweise in weißer Schrift auf rotem Grund, zu lesen ist.
Er blickt mit erstaunten, blauen Augen in die Welt der ergebenen Spender. Das Abstöpseln geht ihm so flink von der Hand, wie die kernigen Sprüche von den Lippen.
Mit schnellen Krickeln und Tafelkreide wird die Ruhezeit auf die Schuhsohlen geschrieben.
59 steht bei mir drauf. Also, noch 10 Minuten die Lochplatten an der Decke zählen.
Freundliches Grinsen, wenn ein Blutopfer den Raum betritt, das man irgendwoher kennt. Und dann hat das kleine Rot-Kreuz-Mädel seinen großen Auftritt: „Würden Sie bitte ‘nen Finger drauf halten? So alles klar. Geht’s?“
Vor dem Kaffee und den belegten Brötchen drücke ich mich. Sitzt doch meistens ein feister, dümmlicher Angeber breitbeinig vor seinem zweiten Teller mit Mettbrot, Weintrauben und Eiachteln und fordert die vierte Tasse Kaffee, denn er hat ja schließlich gespendet.
Auf der Fahrt nach Hause fühle ich noch einmal genau hin. Ne, ich spüre wirklich nichts, außer Stolz: „Hast mal wieder was getan für die Nadel mit der „40“.

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